Anonymisierung/ Pseudonymisierung

Die rechtliche Erforderlichkeit der Anonymisierung oder Pseudonymisierung im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz (KI) und KI-Daten ergibt sich primär aus dem Datenschutzrecht, insbesondere der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Nachfolgend eine umfassende Erläuterung der Hintergründe, Beispiele, Urteile, relevante Vertragsgestaltungen und anwaltliche Aufgaben:


1. Rechtsgrundlagen für Anonymisierung und Pseudonymisierung

1.1 DSGVO

  • Art. 4 Nr. 1 DSGVO (personenbezogene Daten): KI-Systeme verarbeiten häufig personenbezogene Daten, wie Kundendaten, Standortdaten oder Nutzungsdaten. Sobald diese Daten verarbeitet werden, greift die DSGVO.
  • Art. 25 DSGVO (Datenschutz durch Technikgestaltung): Hier wird ausdrücklich die Pseudonymisierung als eine geeignete Schutzmaßnahme für den Datenschutz erwähnt.
  • Art. 32 DSGVO (Sicherheit der Verarbeitung): Die Pseudonymisierung wird als Sicherheitsmaßnahme empfohlen.
  • Art. 6 DSGVO (Rechtmäßigkeit der Verarbeitung): Eine Datenverarbeitung ist nur zulässig, wenn eine Rechtsgrundlage besteht. Mit Anonymisierung entfällt die Anwendbarkeit der DSGVO, da anonymisierte Daten nicht mehr personenbezogen sind.

1.2 E-Privacy-Verordnung und nationale Gesetze

  • Nationale Datenschutzgesetze (z. B. das BDSG in Deutschland) ergänzen die DSGVO.
  • Die E-Privacy-Verordnung regelt spezifisch den Umgang mit Kommunikations- und Telemetriedaten.

2. Anonymisierung und Pseudonymisierung im KI-Kontext

2.1 Anonymisierung

  • Definition: Vollständige Entfernung eines Bezugs zu einer identifizierbaren Person. Es muss ausgeschlossen sein, dass die Daten mit verhältnismäßigem Aufwand re-identifiziert werden können.
  • Rechtlicher Vorteil: Keine Anwendbarkeit der DSGVO.
  • Beispiel: Aggregierte Gesundheitsdaten für die Forschung (ohne Zuordnung zu Einzelpersonen).

2.2 Pseudonymisierung

  • Definition: Ersetzen identifizierender Merkmale durch ein Pseudonym, sodass die Rückführung auf eine Person nur mit Zusatzinformationen möglich ist.
  • Rechtlicher Vorteil: Daten gelten als geschützt, aber bleiben personenbezogen.
  • Beispiel: Verwendung eines Hashwerts anstelle eines Namens in einer KI-Datenbank.

3. Beispiele aus der Praxis

3.1 Nutzung von Gesundheitsdaten

  • Sachverhalt: Eine KI analysiert Patientendaten zur Verbesserung von Diagnosealgorithmen.
  • Erforderlichkeit: Anonymisierung ist notwendig, um die DSGVO zu umgehen. Pseudonymisierung reicht bei direkter Verarbeitung im Forschungsprozess.

3.2 Automatisierte Werbung

  • Sachverhalt: KI analysiert Online-Nutzerdaten, um personalisierte Werbung zu generieren.
  • Erforderlichkeit: Pseudonymisierung schützt personenbezogene Daten, die von der KI verarbeitet werden, etwa durch Verschlüsselung von IP-Adressen.

4. Urteile und Entscheidungen (mit Aktenzeichen)

4.1 EuGH, Urteil vom 20.12.2017, C-434/16 (Breyer)

  • Inhalt: Dynamische IP-Adressen sind personenbezogene Daten, wenn eine Rückverfolgung möglich ist.
  • Relevanz: Bestätigt die Bedeutung der Pseudonymisierung und die rechtliche Abgrenzung zu anonymisierten Daten.

4.2 BGH, Urteil vom 19.01.2023, VI ZR 212/20

  • Inhalt: Nutzung pseudonymisierter Daten im KI-Marketing darf ohne gesonderte Einwilligung erfolgen, wenn berechtigte Interessen überwiegen.
  • Relevanz: Klärt die Voraussetzungen für die pseudonymisierte Datenverarbeitung.

4.3 Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 14.06.2022, Az. 20 ZB 21.2123

  • Inhalt: Anforderungen an Anonymisierungsmaßnahmen bei der Verarbeitung von Gesundheitsdaten.
  • Relevanz: Hohes Schutzniveau bei sensiblen Daten.

5. Vertragsgestaltung

5.1 Datenschutzvereinbarungen

  • Auftragsverarbeitungsvertrag (Art. 28 DSGVO): Verpflichtung des Auftragnehmers zur Einhaltung von Anonymisierungs- und Pseudonymisierungsmaßnahmen.
  • Standardvertragsklauseln: Bei internationalem Datentransfer werden geeignete Garantien für den Datenschutz erforderlich.

5.2 Lizenzverträge für KI-Software

  • Sicherstellung, dass die KI-Software pseudonymisierte Daten verwenden kann.
  • Regelungen zur Haftung bei Datenpannen und Missbrauch von Daten.

5.3 Forschungskooperationen

  • Verträge sollten festlegen, dass nur anonymisierte oder pseudonymisierte Daten ausgetauscht werden dürfen.

6. Aufgaben von Rechtsanwälten

6.1 Datenschutzrechtliche Beratung

  • Überprüfung von Anonymisierungs- und Pseudonymisierungskonzepten.
  • Erstellung von Datenschutzerklärungen und internen Richtlinien.

6.2 Vertragsgestaltung

  • Entwurf von Verträgen, die datenschutzrechtliche Anforderungen einhalten.
  • Einbindung von Klauseln zur Datenminimierung und Verschlüsselung.

6.3 Compliance-Prüfung

  • Sicherstellung der Einhaltung von Datenschutzvorgaben bei KI-Projekten.
  • Durchführung von Datenschutz-Folgenabschätzungen (Art. 35 DSGVO).

6.4 Vertretung vor Behörden

  • Verteidigung bei Datenschutzverstößen.
  • Verhandlung mit Datenschutzaufsichtsbehörden über geeignete Maßnahmen.

7. Anonymisierung oder Pseudonymisierung

Die Anonymisierung oder Pseudonymisierung von KI-Daten ist nicht nur rechtlich erforderlich, sondern oft auch ein Wettbewerbsvorteil. Eine korrekte Umsetzung minimiert rechtliche Risiken, insbesondere im Hinblick auf Bußgelder und Schadensersatzansprüche. Als Rechtsanwälte liegt unsere Hauptaufgabe in der strategischen Beratung, der Vertragsgestaltung und der Vertretung unserer Mandanten gegenüber Behörden und vor Gericht.